VG Berlin – Mündliche Verhandlung

1. Juni 2011

Am 30.05.2011 fand vor dem Verwaltungsgericht Berlin in dem Verfahren VG 1 K 320.10 der Termin zur mündlichen Verhandlung statt. Es erschien ein Einzelrichter mit einer Referendarin und teilte mit, die Kammer habe die Sache auf den Vorsitzenden der Kammer als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (infolgedessen keine Laienrichter an der Entscheidung beteiligt sind). Da dies erst kurz vor dem Termin erfolgt sei, habe man auf eine Zustellung des Beschlusses an die Parteien verzichtet, „um nicht noch zusätzlich Portokosten zu verursachen“. Die Referendarin trug den Akteninhalt vor. Der Einzelrichter wies anschließend darauf hin, er werde auf den Inhalt der Schriftsätze nicht weiter Bezug nehmen. Sodann erteilte das Gericht mir als Kläger das Wort. Ich hatte allerdings noch nicht fünf Worte gesprochen, als der Einzelrichter die Augen verdrehte. Auf meine Frage, warum er mir das Wort erteile, wenn er mich nicht hören wolle, antwortete der Einzelrichter: „nein, nein, fahren sie nur fort“.

In der Frage der Zulässigkeit wies der Einzelrichter darauf hin, der Kläger sei durch die Kampagne der Beklagten nicht in seinem Persönlichkeitsrecht betroffen (also entgegen meiner Rechtsbehauptung weder als Bürger des Landes Berlin, noch als Angehöriger der männlichen Bevölkerungsgruppe, noch als Mann betroffen, gegen den ein Ermittlungsverfahren nach einer Strafanzeige wegen häuslicher Gewalt eingestellt worden ist, weil die Ermittlungen der für diese Feststellung ausschließlich zuständigen Behörde keinen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage ergeben haben).

Das Gericht wies darauf hin, es seien ihm keine Entscheidungen zu einem vergleichbaren Sachverhalt bekannt.

Betreffend die Begründetheit forderte das Gericht den Kläger auf, zu der Frage der Wahrheit der Tatsachbehauptung der Beklagten vorzutragen. Der Einzelrichter wies sodann darauf hin, nach seiner Erinnerung an das Fach Kriminologie aus seiner Studienzeit, gebe es bei Straftaten immer ein „Dunkelfeld“. Zwischen der Umfrage („Studie“) des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend über eine Zahl von Frauen, die anonym behaupten, Opfer häuslicher Gewalt geworden zu sein, und der Berliner Kriminalstatistik zu den Feststellungen der Ermittlungsbehörden über behauptete Fälle häuslicher Gewalt müsse streng unterschieden werden. Das eine habe mit dem anderen nichts zu tun. Ich habe dann noch gewagt zu erwähnen, das beklagte Land führe nicht nur eine an die Öffentlichkeit gerichtetete Plakatkampagne mit der Behauptung, 25 % aller heterosexueller Männer in Beziehungen schlage Frauen, sondern zugleich auch eine Plakatkampagne, in der die Harmonie homosexueller Partnerschaften hervorgehoben werde, woraufhin der Richter das Gesicht verzog, als habe er in eine Zitrone gebissen (oder ich den Arm zum Hitlergruß erhoben), und das Gespräch über diesen Punkt abwürgte (während den Beklagtenvertreterinnen noch der Ruf entfuhr: „Das waren wir nicht!“). Ich hatte eine Tatsache im Kontext des Streitgegenstandes vorgetragen, eine ebenfalls an die Öffentlichkeit gerichtete Behauptung des Landes Berlin, aber damit eine tief sitzende Irrationalität berührt. Don’t ask, don’t tell.

So entstand schnell der Eindruck, dass Kläger und Gericht aneinander vorbei reden. Eine der drei Beklagtenvertreterinnen erklärte sodann, die von der Beklagten in der Öffentlichkeit aufgestellte Behauptung ergebe sich aus den der Beklagen regelmäßig durch die Berliner Strafverfolgungsbehörden übermittelten Zahlen. Auf meine Anregung (direkte Fragen an die Beklagtenvertreter hatte mir das Gericht untersagt) fragte das Gericht nach, ob sich aus diesen Zahlen ergibt, ein Viertel aller Frauen werde Opfer häuslicher Gewalt. Das hat die Beklagtenvertreterin verneint. Woraufhin ihre Kollegin erklärte, es handele sich um eine politische Kampagne. 

Zum Schluss der mündlichen Verhandlung habe ich mir noch erlaubt, nach der richtigen Stellung der Anträge zu fragen, da möglicherweise (auch hilfsweise) ein Fortsetzungsfeststellungsantrag erforderlich wäre. Im Ergebnis hat die Beklagte zu Protokoll erklärt, sie beabsichtige ihre Kampagne zu wiederholen, also erneut in der Öffentlichkeit die Behauptung zu verbreiten, jede vierte Frau in Deutschland werde Opfer häuslicher Gewalt.

Das Protokoll der Verhandlung liegt noch nicht vor.